Diese Vorlesung konzentriert sich auf eines der Themen, die Sjoukje van der Meulen in ihrer Vorlesungsreihe „Kunst in der Europäischen Union seit dem Vertrag von Maastricht (1992)“ im Rahmen der Rudolf Arnheim Professur für die Humboldt Universität entwickelt hat, nämlich Perspektiven der europäischen Demokratie. Der Demokratie-Begriff ist heute eines der am meisten diskutierten Konzepte in der Europäischen Union. Es ist jetzt klar, dass das Konzept der Demokratie nicht eindeutig ist, sondern in den verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten anders interpretiert und praktiziert wird, was teilweise auf unterschiedliche, nationale oder regionale, kulturelle, historische und politische Entwicklungen zurückzuführen ist.
In diesem Vortrag möchte van der Meulen diese Debatte nicht so sehr kommentieren, sondern zeigen, wie europäische Künstlerinnen und Künstler Demokratie darstellen, kritisch hinterfragen oder kreative demokratische Modelle befürworten und in ihre künstlerische Praxis umsetzen (z.B. JR, Grzegorz Paprzycki, JonasStaal und Wolfgang Tillmans). Es werden auch Künstler diskutiert, die Demokratie nicht zu einem direkten Thema machen, sondern in ihrer Arbeit einen solchen Einblick in eine bestimmte historische oder politische Situation in einem europäischen Mitgliedstaat gewähren, dass sie dazu beitragen, einen anderen Ansatz zur Demokratie verständlich oder zumindest greifbar zu machen (wie Irena Haiduk, Balázs Kicsiny, oder Artur Żmijewski). Es werden unterschiedliche Ansichten der Demokratie in Kunsttheorie und Politikwissenschaft mobilisiert (einschließlich Texten von Boris Groys, Jürgen Habermas, Bojana Pejić, Piotr Piotrowksi, Slavoj Žižek und Philip Manow), wodurch eine Wechselwirkung zwischen Analyse und Interpretation von Kunst in Bezug auf gegenwärtige europäische Demokratie entsteht. Dies mit dem Ziel, die demokratischen Konflikte in der Europäischen Union näher zu bringen und sie durch Kunst zu erleuchten.
Prof. Dr. Sjoukje van der Meulen
Sjoukje van der Meulen erlangte ihren Master of Arts am Kunsthistorischen Institut der Columbia University und ihren PhD an der Graduate School of Architecture (GSAPP) (1998/2009), wo sie mit den Professoren Kenneth Frampton, Andreas Huyssen bzw. Rosalind Krauss studierte. Sie lebte 15 Jahre in den USA und lehrte an der Columbia University, der University of Illinois in Chicago und der University of Oregon. Sie war zudem Dozentin am Fachbereich Medienstudien der Universität Amsterdam, eine Teilnehmerin im international curatorial programme von De Appel, dem Herausgeber von Metropolis M und Co-Redaktionsleiter der Stedelijk Studies, der wissenschaftlichen online Zeitschrift des Stedelijk Museum Amsterdam. Sie leitete die Europäische Arbeitsgruppe der niederländischen sozialdemokratischen Partei (PvdA), wo sie Konferenzen führte sowie Workshops zu Themen wie z.B. „Die Zukunft der Eurozone“ and die „Migrationskrise“ mit Unterstützung u.a. der S&D Fraktion im Europäischen Parlament. Sie ist derzeit Assistenz-Professorin für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Utrecht. Die Rudolf Arnheim Gastprofessur widmet Prof. Dr. van der Meulen ihrer Recherche und dem Unterricht zu zeitgenössischer Europäischer Kunst seit dem Vertrag von Maastricht (1992), worüber sie zudem eine Ausgabe der Stedelijk Studies mit dem Titel The Borders of Europe co-editierte.
Zur Gastprofessur
Die Rudolf-Arnheim-Gastprofessur geht auf den Filmkritiker und Filmhistoriker Rudolf Arnheim zurück, der die Theorie des „denkenden Sehens“ und Gestaltens entwickelte. Eine hochrangige interdisziplinäre Jury beruft jährlich einen ausländischen Gastdozenten an die Humboldt-Universität. Gefördert wird diese Professur durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Stiftung Brandenburger Tor. Im Sommersemester 2020 konnte der designierte Arnheim-Gastdozent seine Professur leider pandemiebedingt nicht antreten – sein Zeitraum ist auf ein anderes Jahr verschoben worden. Sjoukje van der Meulen hat ihre Professur im Wintersemester 2020/2021 nunmehr digital zugebracht und wir werden das Format entsprechend pandemischer Vorgaben ebenfalls ins Digitale verlegen.
Die Teilnahme ist kostenlos. Bitte melden Sie sich bis zum 7. Mai 2021 unter veranstaltungen@stiftungbrandenburgertor.de an. Die Zugangsdaten zum ZOOM-Webinar werden mit der Anmeldebestätigung ab dem 7.5. verschickt. Sie können die Veranstaltung aber auch hier bequem im Live-Stream über YouTube verfolgen.
Foto: © Daniel Schmitt – JR-art.net; JR, “Different Faces – Different Views,” Inside Out Project (Wuppertal, 2014)