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„Welche Zeit für die Kunst? Die Kunstgeschichte angesichts der vorgeschichtlichen Herausforderung“ – Arnheim Lecture mit Prof. Dr. Audrey Rieber
27. Januar 2020 | 7:00 pm - 10:00 pm
Die Entdeckung der vorgeschichtlichen Kunst stellt ein bedeutsames Ereignis für das Denken der Kunst und ihrer Geschichte dar, weil sie eine enorme Zeittiefe eröffnet. Die Malereien der Chauvet-Höhle werden auf 32.000 v. Chr. datiert; die Dauer ist geradezu schwindelerregend, wenn man die Werke, die nicht aus der Hand der homo sapiens stammen, und wenn man darüber hinaus nicht nur die Malereien, Ritzzeichnungen, Skulpturen, Gegenstände der Kleinkunst und Handabdrücke, sondern auch die Faustkeile und ihre manchmal unleugbaren ästhetischen Eigenschaften miteinbezieht. Wie kann man diese Erzeugnisse in die Weltgeschichte einschreiben?
Die hier zur Diskussion gestellte Hypothese geht davon aus, dass es nicht genügt, die Kunstgeschichte einfach früher anfangen zu lassen oder ein neues Kapitel der Geschichte der Künste oder der Formen voranzustellen. Unter welchen Bedingungen ist es möglich, die paläolithische Kunst in der Weltgeschichte zu denken, ohne sie dabei auf die Stufe der Kindheit der Kunst oder auf ihr grobes und primitives Vorspiel zu reduzieren? Und wie kann man an die vorgeschichtlichen Gegenstände denken, ohne die Frage der Geschichte von Beginn an durch die Anwendung der Begriffe der andauernden Gegenwart oder des anachronistischen Nachlebens preiszugeben?
Um diese Fragestellung zu vertiefen, wird die Lecture zeigen, wie bereits 1909 (d. h. sieben Jahre nachdem die Echtheit der Malereien der Altamira-Höhle anerkannt wurde), Elie Faure die Vorgeschichte in seine monumentale Histoire de l’art integrieren konnte. Wir werden untersuchen, wie der „kunstsinnige Arzt“, wie Jean Renoir ihn nannte, Ideen und Methoden der Historiographie, der Wissenschaft (Biologie) und der Kunst wiederaufnahm, um auf originelle Weise eine breite historische Symphonie zu denken, die sowohl die ornamentierten Artefakte des Paläolithikums als auch das Kino, die griechische Plastik der Antike und die chinesische Architektur einbezieht.
Begrüßung
Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster
Vorstand Stiftung Brandenburger Tor
Prof. Dr. Claudia Blümle
Institut für Kunst- und Bildgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin
Vortrag
Prof. Dr. Audrey Rieber
Rudolf-Arnheim-Gastprofessorin
Empfang
bis 22:00 Uhr Prof. Dr. Audrey Rieber
Prof. Dr. Audrey Rieber ist „Maître de conférences“ (Associate Professor) für Philosophie an der École Normale Supérieure de Lyon (Frankreich). Ihre Lehre und Forschungsfeld sind der Ästhetik und der Philosophie der Kunst gewidmet. Sie arbeitet hauptsächlich zu den Fragen der Form, der Bedeutung, des Symbols und der Interpretation (insbesondere in Überlegungen zur Ikonologie) sowie der Geschichte (Geschichte der Form, Geschichte des Sinns, Begriff der Historizität, insbesondere in der aktuellen Arbeit zur prähistorischen Kunst).
Ihre philosophischen Arbeiten entwickeln sich im Dialog mit theoretischen und methodologischen Ansätzen anderer Disziplinen, die im deutschsprachigen Raum eine besonders fruchtbare Entwicklung zeigen: Kunstgeschichte, Kunstwissenschaft, Bildwissenschaft, Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft. In dieser Perspektive eines Austauschs zwischen französischen und deutschen Kunsttheorien arbeitet sie auch als Übersetzerin (A. Riegl, E. Wind, H. Belting, F. Kittler). Sie ist Chefredakteurin der online Zeitschrift für Ästhetik Appareil.
Die Rudolf-Arnheim-Gastprofessur
Die Rudolf-Arnheim-Gastprofessur geht auf den Filmkritiker und Filmhistoriker Rudolf Arnheim zurück, der die Theorie des „denkenden Sehens“ und Gestaltens entwickelte. Eine hochrangige interdisziplinäre Jury beruft jährlich einen ausländischen Gastdozenten an die Humboldt-Universität. Gefördert wird diese Professur durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Stiftung Brandenburger Tor.