Die diesjährige Einraumausstellung legt ihren Fokus auf Martha Liebermann, deren Todestag sich 2023 zum 80. Mal jährt. Martha galt als zurückhaltend in der Öffentlichkeit und als wacher Geist im privaten Rahmen und dort auch als scharfe Kritikerin der Kunst ihres Gatten. Sie war eine vollendete Gastgeberin, engagiert in der jüdischen Gemeinde und in wohltätigen Angelegenheiten. Sie begleitete Max durch die schwierige Anfangsphase seiner Laufbahn, den Erfolg als Secessions- und Akademiepräsident bis in die schwierigen Jahre der NS-Diktatur. Max Liebermann starb bereits 1935, aber Martha bekam die ganzen Repressalien, denen jüdische Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt waren, zu spüren. Sie verlor ihre geachtete gesellschaftliche Stellung, ihre beiden Häuser, ihr gesamter Besitz wurde nach und nach eingezogen und schließlich ihr Leben bedroht. Trotz Unterstützung aus Schweden und der Schweiz bekam sie keine Ausreisegenehmigung und entzog sich der Deportation am 10. März 1943 durch Selbstmord.
Im Zentrum der Ausstellung stehen zwei Porträts des Ehepaares Liebermann, die der Schwede Anders Zorn (1860-1920) in den 1890er Jahren angefertigt hat. Zorn war gut mit Liebermann befreundet, der ihn in die Berliner Secession holte und später zur Mitgliedschaft in der Königlichen Akademie der Künste verhalf. Sein Porträt Marthas entstand als Auftrag von Max Liebermann, der sich nicht in der Lage sah, seiner Frau malerisch gerecht zu werden. Auf dem Gemälde tritt Martha uns als elegante, selbstbewusste Hausherrin gegenüber. Max Liebermann wird von Zorn ebenfalls als Privatmann in bürgerlicher Gesellschaftskleidung und nicht als Maler dargestellt.
Die beiden Zorn-Bilder nahm Martha 1935 mit als sie vom Pariser Platz in die Graf-Spree-Straße zog. Welche Rolle diese Gemälde bei ihren vergeblichen Bemühungen, Nazi-Deutschland zu verlassen, noch spielen sollten, konnte Martha Liebermann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.
Mit den Einraumausstellungen ergänzt die Stiftung Brandenburger Tor ihre Dauerpräsentation Liebermanns Welt, die sich Max Liebermanns Leben, Werk sowie seinem Haus am Pariser Platz widmet. In komprimierter Form werden anhand weniger Werke Liebermanns persönliche und private Netzwerke und ihr künstlerischer Widerhall beleuchtet. 2019/20 widmete sich die erste Ausgabe Theodor Fontane, 2022 folgte Richard Dehmel.