Takeover
10. Juni bis 14. August 2022
Am 9. Juni 2022 findet zwischen 11:00 und 21:00 Uhr der Eröffnungstag statt. Sie haben die Gelegenheit, die Ausstellung und Veranstaltungen zu einem Zeitpunkt Ihrer Wahl zu besuchen. Der Eintritt ist frei.
Dunkle Ecken, seltene Erden, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Licht und Wasser, auf glühenden Kohlen, die Lust am Gruseln, Bewegung und Schatten, zwei riesige Trolle, das Geheimnis der Mangroven, holografisches Homeschooling – für diese Themen entschieden sich Berliner Grundschüler*innen und kuratierten ihre eigene Ausstellung.
Den Auftakt machten letzten Sommer die Künstler*innen Roberta Busechian und Tue Greenfort auf dem Südplatz des Gropius Bau mit der Ausstellung Takeover. Plastik hört auf Pilz. Nun bespielt Takeover Ausstellungsräume im Erdgeschoss mit sieben internationalen Künstler*innen, die auch in Berlin leben.
Khansa Humeidan griff die Idee der Schüler*innen auf, die Ausstellung als Spiel zu begreifen. Mit übergroßen Spielkarten ausgestattet werden die Besucher*innen selbst zu Figuren auf einem Spielplan mit spannenden Ereignisfeldern. In dem strategischen Gesellschaftsspiel mit Tieren begeben sie sich auf eine wundersame Reise mit dem Ziel, ihren eigenen Bau zu errichten.
Susanne Kriemanns Serie Mngrv (2018–2020) zeigt indonesische Mangrovenwälder in der eindrucksvollen Technik des Direktdruckes (Gummiübertragung auf Tintenstrahldruck) in ihrem aktuell besorgniserregenden Zustand voller Abfall. Die Schüler*innen wählten vier Paare der Serie aus und inszenierten sie als eine Art Ausblick durch raumgreifende Rahmen. Kalkstein-Stufen sorgen für einen besseren Einblick. Zu einem Strang geflochtene Netze und Seile aus Müll, die die Community-Umweltgruppe Desa Wisata Pengudang für die Ausstellung in den Mangroven in Indonesien sammelte, bezeugen die globalen Verbindungslinien der Umweltkrise.
Diese Verbindungslinien greift auch Lisa Raves Filmessay Europium (2014) auf. Er behandelt den geplanten Abbau der für Bildschirme und Banknoten benötigten seltenen Erde Europium in der Bismarcksee sowie indigene Währungsformen. Als untrennbar miteinander verbunden zeigen sich hier die Geschichten und Formen der Ausbeutung von Mensch und Natur. Die Schüler*innen verleihen dem Video Unmittelbarkeit, indem sie Wassereffekte und künstliche Steine im Raum inszenieren. Per QR-Code kann man diesen Objekten virtuell begegnen und kommentierende Zeichnungen der Schüler*innen betrachten.
Vanessa Farfáns Organisierte Digitale Maschinen (2022) stellen auf ähnlich pointierte Weise Unmittelbarkeit her. Als Stipendiatin des Programms Max – Artists in Residence an Berliner Schulen entwickelte sie an der Carl-Humann-Grundschule in Zeiten des Homeschoolings die Idee des gemeinsamen Sezierens von Computern. In schillernden holografischen Rahmen mit optischen Effekten begegnet die Handlungsmacht der Maschine, die anfängt zu funktionieren, wenn sie kaputt ist, der Möglichkeit menschlicher Unabhängigkeit in der Digitalisierung.
Im Halbdunkel des zweiten Ausstellungsraums inszeniert Michelle-Marie Letelier Lichtblicke und Schattenseiten des Abbaus fossiler Brennstoffe am Beispiel von leuchtenden Kohlebriketts an Kupferdrähten. Die Schüler*innen trugen auch hier aktiv zur Herstellung der künstlerischen Arbeit bei und verliehen Leteliers unlängst verschollenem Werk C+Cu: Narratives of Energy Sway (2013–2014/2022) neues Leben.
Totgesagte leben länger – so könnte das Motto von Jan Peter Hammers The Scream (2015) lauten. In der Reihe Monarchen, Menschen & Monster befasst er sich mit den Kreisläufen von hochkulturellen versus massenhaften Repräsentationsformen. Das Beispiel der x-fachen Vervielfältigungen von Edvard Munchs ikonischem Schrei bis hin zur Halloween-Maske und von dort in den Schrecken nicht enden wollender Blockbuster-Sequels bewirbt als umrisshafte Neon-Skulptur den horror vacui unserer Zeit.
Der letzte Schrei dieser Ausstellung kommt von Egill Sæbjörnsson. Seit einigen Jahren heimgesucht von zwei riesigen Trollen (eindrucksvoll im isländischen Pavillon der Biennale von Venedig, 2017) entwickelte er mit den Schüler*innen eine tatsächliche Tourist*innenfalle im Gropius Bau. Wer sich hier nicht umsichtig zeigt, findet sich in dieser immersiven Installation selbst auf dem Teller wieder.
„Es ist wie ein Sortieren der Bilder der Wirklichkeit, als würde man wieder aufwachen.“
— Anton, Carl-Humann-Grundschule
„Die Bilder zeigen, wie die Natur behandelt wird. Sie sind gleichzeitig schön und traurig.“
— Alma, 48. Grundschule
„Das ist ein bisschen wie Zauberei. Aber darin steckt viel Arbeit.“
— Mirjam, Carl-Humann-Grundschule
Kinder kuratieren_Takeover
Für Takeover nehmen Kinder die Rolle von Kurator*innen ein und kreieren ihre eigene Ausstellung im Erdgeschoss des Gropius Bau. Das Kooperationsprojekt Kinder kuratieren_Takeover des Gropius Bau und der Stiftung Brandenburger Tor ermöglicht Berliner Grundschüler*innen, den Weg von der Kunstproduktion bis zur eigenständig konzipierten Ausstellung selbst zu erleben und zu gestalten. Seit Beginn des Schuljahres 2019/2020 besuchen Schulklassen aus dem Programm Max – Artists in Residence an Berliner Schulen der Stiftung Brandenburger Tor regelmäßig den Gropius Bau und lernen die Abläufe, Prozesse und Berufe des Ausstellungshauses kennen. Abschließend setzen sie selbst eine Ausstellung um.
Ein Projekt der Stiftung Brandenburger Tor und des Gropius Bau
Gefördert von der
© Gropius Bau und © Foto: Susanne Kriemann