Moderne unsichtbare Hindernisse sind Grenzen, die eine isolierende und ausschließende Rolle haben. Es handelt sich um Hindernisse, die im Weg zum Gefühl der Zugehörigkeit, Empathie und des Sinns stehen und den Fremden, den Geflüchteten, den Einwanderer, den Illegalen, den Unwillkommenen ins Leben rufen.[1] Diese unsichtbaren Mauern gibt es, sie stehen überall und wachsen trotz der offiziell verbreiteten demokratischen Werte. Sie existieren ununterbrochen, denn sie sind in unseren Köpfen, sie teilen unsere Körper. Sie tragen stets zu demselben Problem bei: dem brennenden Problem der ausgestoßenen, unwillkommenen Menschen, wobei man hier alle Synonyme des Wortes „brennend“ aufzählen muss: schmerzhaft, schwer, unerträglich, durchdringend, problematisch, lästig, kalt, bitter, quälend, herb, beißend, kritisch, böse, unangenehm… In the same city, under the same sky… besteht aus 35 Filmen, die als Antwort auf Fremdenfeindlichkeit und die tragischen Folgen des Schmuggels von Geflüchteten nach Europa entstanden. Alle Filme zeigen authentische Berichte von Frauen, die ein Zuhause suchen und vor dem Krieg, Terrorismus, Armut, sexueller Belästigung und Gewalt fliehen. Nicht jede dieser Geschichten nimmt ein gutes Ende. Die aufgenommenen Berichte enthalten Worte des Elends, der Angst, Verzweiflung und zugleich Empörung, einen Schrei nach Gerechtigkeit und Verständnis. Gefordert werden auf Empathie basierendes Verständnis, die Anerkennung der drastischen Gründe der Flucht, aber vor allem Akzeptanz eines Subjekts, das lebt, trotz seiner Fremdheit und Andersartigkeit. Dieses Videoprojekt ist, neben dem neuesten, sich in der Realisierungsphase befindenden Films Obłoki płyną nad nami [Wolken schweben über uns], ein selbstverständlicher Versuch, die Figur des Fremden zu analysieren. Diesmal wird aber eine persönliche Perspektive eingenommen, das heißt es wird die Geschichte der Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung, der Umsiedler aus den Ostgebieten Polens und der deutschen Minderheit aufgeschrieben, die die Identität der Kleinstadt mit dem sympathisch klingenden Namen Dobrodzień (Guttentag) in Südpolen bestimmen. Es ist meine Heimatstadt in Oberschlesien. Dieser entlegene Ort birgt in sich verwickelte Biografien von Menschen, Geschichten von Orten und Ereignissen. Deutsche, Juden und Polen – in ihnen verweben sich alle drei Identitäten – die einen sind schon immer da gewesen, andere wurden zwangsausgesiedelt, flohen oder wurden abtransportiert.
Wer ist also der Fremde, der neben mir lebt und ohne den es mich nicht geben kann?
[1] Judy Fudge, Borders – “In the Same City Under the Same Sky”, 2015
Anna Konik in Polen geboren, gehört zur Generation der gegenwärtigen Künstler. Ihr Schaffen ist auf Videoinstallationen, Objekte, Fotografie, Zeichnung und Skulptur fokussiert. Ihre Arbeiten wurden in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, die Arbeiten befinden sich sowohl in privaten als auch öffentlichen Kunstsammlungen.
Sie hielt Vorträge u.a. an der International Summer Academy in Salzburg (2008-2009), als Rudolf-Arnheim-Visiting Professor am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität Berlin (2009 und noch einmal in 2017/18), darüber hinaus auch an der Fakultät für Literatur und Linguistik der Universität Bielefeld (2012/2013/2017) und der Fakultät für Intermedien der Universität der Künste in Posen (2016). Im Jahr 2017 wurde sie als Liebelt Gastprofessorin an die Hochschule für Bildende Künste in Dresden eingeladen. 2012 erwarb sie den Doktortitel im Bereich der bildenden Künste an der Fakultät für Medienkunst und Szenografie der Warschauer Kunsthochschule. Anna Konik ist Preisträgerin zahlreicher Stipendien, darunter: POLIN Museum of the History of Polish Jews, Artist-in-Residence (2016/2017); IAS-Nantes, France (2014/2015); New Europe College, Bucharest, Romania (2013/2014); IASPIS, Stockholm (2011/2012); ZiF Centre for Interdisciplinary Research, University, Bielefeld (2011); Wissenschaftskolleg zu Berlin (2008/2009); Landis & Gyr Stiftung, Zug (2007); Academy Schloss Solitude (2003/2004).
Begrüßung
Dr. Pascal Decker
Geschäftsführender Vorstand
Stiftung Brandenburger Tor
Prof. Dr. Michaela Marek
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Kunst- und Bildgeschichte
Vortrag
Prof. Dr. Anna Konik
Empfang
bis 22.00 Uhr
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