Wie ist das Verhältnis zwischen innerer Vorstellungs- und innerer Erlebniswelt zur Struktur von Musik, zur Gestalt einer Partitur und zum hörbaren Klang? Wie gehen wir mit den massenhaft erfahrenen musikalischen Eindrücken um? Die Frage des Ausdrucks ist das zentrale Thema für den aus Israel stammenden Komponisten Yair Klartag, derzeit Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, seit einigen Jahren.
Die Auseinandersetzung mit der Ausdrucksqualität von Musik beschäftigt ihn aber nicht selbstreferenziell in Bezug auf sein Werk, sondern führt ihn zur Hinterfragung unserer Gesellschaft des medialen Überschusses. Nicht selten bezieht er sich in seinen Kompositionen auf das Denken von Samuel Beckett oder, wie in seinem audiovisuellen Klavierstück „Im Zeitalter der Reproduzierbarkeit“, auf das paradigmatische Buch von Walter Benjamin aus den 1930ern. Ausgehend von diesem anspruchsvollen audiovisuellen Klavierstück führt der israelische, 1985 geborene Yair Klartag in seine kompositorischen Gedanken ein. Zu hören sind außerdem zwei diametral gegenüberstehende Klavierstücke: die expressive „Schwarze Messe“ von Alexander Skrjabin und die fulminant-spröde, sich an Historie und Kapitalismus abarbeitende Komposition „Arbeit“ für virtuelle Hammondorgel von Enno Poppe, die dem Pianisten des Abends, Ernst Surberg, auf den Leib geschrieben ist. Die drei Werke ergeben einen besonderen Klavierabend mit Perspektivwechseln auf heute und gestern.